
Lange war Stille. Nicht weil es nichts zu sagen gegeben hätte – sondern weil mein Geist, besetzt von einer Armee aus Medikamenten, nicht mehr imstande war, Worte zu formen. Die Tage verschwammen ineinander, wie in milchiges Glas gegossen. Gedanken kamen kaum zustande, Erinnerungen glitten mir wie Fische durch die Finger. Schreiben war unmöglich.
Jetzt, da sich der Nebel ein wenig lichtet, wage ich einen vorsichtigen Schritt zurück an die Ränder meiner eigenen Wahrnehmung. Noch ist vieles brüchig. Doch ich beginne zu verstehen, was diese Wochen mir abverlangten – körperlich, geistig, seelisch.
Es war ein Tanz.
Ein zögerlicher, schmerzender Tanz mit Substanzen, die kommen, um zu retten – und dabei rauben, was einen ausmacht: Wachheit, Erinnerung, Klarheit. Ich bewegte mich im Takt ihrer Rhythmen, fiel aus dem Takt meines Lebens. Manchmal schienen sie mich zu führen, manchmal schleiften sie mich nur noch mit.
Leonard Cohen singt in Thanks for the Dance von einem letzten Tanz, einem Zwiegespräch mit der Endlichkeit – leise, traurig, zärtlich. Für mich war es kein letzter, aber ein existenzieller Tanz. Ich war nicht frei, aber ich war dabei. Ich war nicht stark, aber ich war da.
Und immer wieder dieses Gefühl: Der Körper denkt mit. Und der Geist wohnt im Körper. Was die Medikamente mit dem Blut machten, griff über auf mein Fühlen, mein Denken. Ich war nicht mehr ganz ich. Und doch war ich zugleich nirgends so sehr bei mir wie in dieser (chemischen) Entblössung.
Vielleicht ist es das, was bleibt:
Ein demütiges Staunen über das fragile Zusammenspiel von Heilung und Verlust.
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