Tag 5: Eine kleine Nach(t)Betrachtung

Veröffentlicht am 25. Mai 2025 um 12:29

Letzte Nacht am USZ – eine wache Zeit

 

Die Nacht verging nicht. Ich lag im Bett, umgeben von der klinischen Klarheit des Zimmers, dem rhythmischen Summen der Geräte, den fernen Geräuschen auf dem Gang – Schritte, leise Stimmen, ein zufallend sanft schliessendes Türblatt. Und mittendrin: ich. Wach. Ruhig an der Oberfläche, aber innerlich in Bewegung.

Tageslied

Sean Rove To leave something behind

 

Es war keine Angst, die mich wach hielt – eher eine gespannte Offenheit. Mein Körper war müde, aber mein Geist war hell. Ich spürte jede Stunde, jede Minute fast körperlich. Die Zeit schien sich zu dehnen, als wolle sie mir etwas zeigen, das ich sonst vielleicht übersehen hätte.

Da lag ich also, in einem fremden Bett, nicht ganz gesund, nicht ganz krank – irgendwo dazwischen. Und ich dachte nach: über das, was war, über das, was noch kommt. Über mein Leben. Über Vergänglichkeit – und was in ihr Bestand haben könnte.

Diese Nacht hat mir nichts „gegeben“ im üblichen Sinn. Kein Trost, keine Erkenntnis mit Ausrufezeichen. Aber sie hat mir etwas zugemutet – und ich habe es angenommen. Ich war mir selbst näher als sonst. Ohne Ablenkung, ohne Aufgabe, ohne Rolle. Nur ich, mein Denken, mein Fühlen – und eine Art stiller Zwiesprache mit dem, was grösser ist als ich.

Ich erinnerte mich an andere Nächte: am Anfang des Lebens meiner Tochter. In Momenten beruflicher Entscheidung. In Zeiten des Abschieds. Nächte, in denen ich gewusst habe: Jetzt wandelt sich etwas. Auch letzte Nacht hatte ich etwas davon – auch wenn noch offen ist, wohin der Weg sich wendet.

Das USZ in der Nacht ist ein Ort voller Gegensätze. Technisierte Präzision trifft auf existenzielle Fragilität. Und mittendrin das Menschliche, das nicht messbar ist – die leise Fürsorge einer Pflegeperson, ein kurzer Blickkontakt im Vorübergehen, das Wissen: Ich bin nicht allein, auch wenn ich gerade mit mir bin.

Heute Morgen kam das Licht langsam. Ich war erschöpft, aber ruhig. Etwas in mir war klarer geworden – nicht gelöst, aber vielleicht besser gehalten. Diese Nacht hat nicht nur etwas in mir offenbart, sie hat auch etwas geordnet. Und ich nehme sie mit – als Teil meines Weges, meiner Geschichte, meiner Wandlung.

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Kommentare

Brigitte Bodmer
Vor einem Monat

Guten Morgen Bernhard
Deine geteilten Gedanken berühren mich zutiefst.
Ich lese sie- nicht täglich- ich brauche Zeit-
es will alles seinen Platz- genügend Raum finden- in mir
Ich verstumme zuweilen und traue mich gar nicht, dir auf deine gehaltvollen Gedanken zu antworten-
HerzDank fürs Teilen!
HerzDank für diese Bereicherung!
Von ganzem Herzen: gute Besserung
( auch wenn ich deine Berichte nicht täglich lese, bist du täglich in meinem Herzen!)
Brigitte